10. Juli 2014

WOZJournalismus

Umberto Eco: Der Name der Rose

Wenn in «Der Name der Rose» am Ende die Bibliothek in Flammen aufgeht, verbrennt nicht nur eine Menge wertvoller Handschriften, sondern eine Welt. Dass die Geschichte «ein Buch über Bücher» ist, wie der Herausgeber alias Umberto Eco in der Einführung behauptet, ist zwar richtig, aber arg untertrieben. Der Mediävist und Semiotiker entwirft mit diesem historischen Krimi nämlich nebenbei eine allegorische Darstellung des historischen Umbruchs vom Mittelalter zur frühen Neuzeit, wie er sich im 14. Jahrhundert abzuzeichnen begann.

In der Benediktinerabtei prallen die zwei Welten unversöhnlich aufeinander: Während hier noch die mittelalterliche Denkweise vorherrscht, die alles, was geschieht, im Hinblick auf die Heilige Schrift deutet, verkörpert der Engländer William von Baskerville, der als eine Art Sherlock Holmes bestellt wurde, um einen geheimnisvollen Mord aufzuklären, die neue Zeit. Er trägt seltsame «Augengläser», erzählt von einem magnetischen Kompass und hat seine frühere Arbeit als Inquisitor aufgegeben, da er sich nicht für das Aufspüren des Teufels, sondern für die Aufklärung menschlicher Verbrechen zuständig fühlt.

Dass das Verbrechen diesmal in der Bibliothek geschehen ist, macht die Sache besonders schwierig, denn sie ist niemandem zugänglich ausser dem Bibliothekar. Um die Bücher, die als Quelle von gefährlichem Wissen betrachtet werden, vor neugierigen Mönchen zu schützen, ist die Bibliothek als Labyrinth angelegt. Und die Angaben im Katalog sind so kryptisch, dass selbst der schlaue William erst nach langem Nachdenken und ein paar nächtlichen Exkursionen ins verbotene Land die Logik versteht. Die Karte, die er schliesslich anfertigt, ist eine grandiose Illustration des mittelalterlichen Denksystems: Die Bibliothek ist nach dem Vorbild der Welt organisiert – einer Welt allerdings, die als kompliziertes Geflecht von Zeichen verstanden wird, als göttliches Buch, das gelesen und gedeutet werden muss. Der Bibliotheksbrand steht für einen Umbruch, der gekennzeichnet ist durch ein anderes Verhältnis zur Schrift – und zum Buch.


Umberto Eco: Der Name der Rose. Deutscher Taschenbuch Verlag. 
München 2012.