Der Grossmeister des politischen Thrillers
«Erst kommt die Imagination, dann die Suche nach Realität». Am vergangenen Samstag ist David John Moore Cornwell alias John le Carré im Alter von 89 Jahren gestorben.
Ja, er war einst Spion beim britischen MI6. Allerdings ein ziemlich schlechter, wie er selber sagte. Und wer glaubt, seine Thriller seien deshalb so gut, weil er den Geheimdienst von innen kannte, irrt gewaltig. John le Carré war in erster Linie ein Meister der literarischen Fiktion. «Erst kommt die Imagination», schrieb er in seiner Autobiografie 2016, «dann die Suche nach Realität.»
Der Kalte Krieg bestimmte die Landkarte seiner frühen Agentenromane. Allerdings hatte der Kampf zwischen Gut und Böse von Anfang an auch eine mythische Dimension. Le Carré nutzte den Thriller, um Held und Widersacher, Erlöser und Monster, Liebe und Zerstörung in immer neuen Gestalten gegeneinander antreten zu lassen. Dass er dabei auch nach dem Kalten Krieg am Puls der Zeit blieb, zeigt, wie versiert er als Schriftsteller war.
Formal blieb der konservative Brite konventionell. Besonders fällt das an seinen Frauenfiguren auf, die auf altmodische Weise idealisiert sind. Auch schrieb er keine engagierte Literatur im engeren Sinn. Weder wollte er mit «Der Spion, der aus der Kälte kam» die westlichen Geheimdienste abschaffen, noch rief er mit «Der ewige Gärtner» zum Boykott gegen die Pharmaindustrie auf. Stattdessen betrieb er eine bestimmte Art von Aufklärung: Mit jedem Roman forderte er sein Publikum aufs Neue dazu auf, über die herrschenden Machtverhältnisse und die vermeintliche Grenze zwischen Gut und Böse nachzudenken.
Das erreichte er nicht zuletzt durch seine stilistische Raffinesse. John le Carré hat seine Texte genial komponiert und gründlich redigiert. Besonders radikal verfuhr er nach eigener Aussage mit dem Thriller «Dame, König, As, Spion», in dem er die wahre Geschichte eines britisch-sowjetischen Doppelagenten aufarbeitete. Bei der Ausarbeitung habe er «einfach keine plausible Methode» gefunden, um die Geschichte so zu erzählen, wie er wollte. «Und so trug ich nach mehreren frustrierenden Monaten das ganze Manuskript in den Garten, verbrannte es und fing noch einmal von vorne an.» Es hat sich gelohnt: Der Thriller wurde ein Welterfolg. Und er ist sein Meisterwerk.
Am vergangenen Samstag ist David John Moore Cornwell alias John le Carré im Alter von 89 Jahren gestorben.